Erschienen am 4. September 2024
Tarek Ayad ist Fitnesscoach, Personal Trainer, studierter Sportwissenschaftler. Er hat als Judoka an den Olympischen Spielen 2000 in Sydney teilgenommen und die privaten TONED Personal Training- und Fitnessstudios mitgegründet. Im Interview erklärt er, warum die Sozialen Medien beim Thema Fitness oft ein schlechter Berater sind.
Herr Ayad: Immer mehr junge Menschen fangen an, zu trainieren. Fällt Ihnen das auch auf?
Ja, wegen der vielfältigen Fitnessangebote, die jetzt auch auf Social Media auftauchen, werden natürlich immer mehr junge Leute dazu animiert, sportlich aktiv zu werden. Aber nicht immer in dem Sinne, in dem es gedacht ist.
Wie wäre es gedacht?
Im Sinne eines ganzheitlichen körperlichen Ansatzes, der alle Elemente berücksichtigt: Kraft, Ausdauer, Koordination und Flexibilität – das Ganze natürlich an das jeweilige Lebensalter angepasst. Jeder Jugendliche, der Sport im Sinne von Krafttraining betreibt, sollte das unter professioneller Anleitung tun. Man braucht einen ausgebildeten Trainer, der darauf achtet, dass die Technik optimal ausgeführt wird.
Wie hat sich das Trainieren bei Jugendlichen in den letzten Jahren geändert?
Hier geht die Schere, wie auch in der Gesellschaft insgesamt, stark auseinander – vor allem bedingt durch Social Media. Auf der einen Seite haben wir Influencer im Fitnessbereich, auf der anderen Seite Bewegungsarmut. Durch den frühen und intensiven Konsum von Sozialen Medien bleibt das klassische Sporttreiben auf der Strecke. Früher waren wir in der Freizeit draußen aktiv, heute werden viele Jugendliche zum herumsitzenden Konsumenten von Social Media-Inhalten.
Welche Rolle spielen Fitness-Influencer genau?
Das Positive ist, dass sie Jugendliche motivieren. Wichtig ist aber, dass diese Influencer keinen Unsinn erzählen. Influencer stehen da sehr stark in der Verantwortung. Klar sollte sein, dass man einen Influencer nicht einfach nachahmen sollte.
In welchem Zusammenhang stehen Essstörungen und Soziale Medien im Bezug auf Fitness?
Das ist ein wichtiger Punkt. Viele Influencer sind bereits selbst in die Falle getappt und haben eine Essstörung entwickelt. Man hat dann schnell gesehen, dass sie nicht mehr konnten. Es gibt genügend Negativbeispiele. Ich rate ganz dringend: Man kann sich Anregungen holen, in Kontakt treten – aber man sollte sich niemals einen Fitness-Influencer zum Vorbild nehmen. Die körperlichen Gegebenheiten, allein von den Genen und der Physis her, können komplett anders sein.
Wie häufig treten Essstörungen im Zusammenhang mit Fitness auf?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Essstörungen treten gerade bei Jugendlichen meist mit anderen Faktoren zusammen auf. Ein überzogenes Fitnessverhalten ist ein Symptom. Wer normal trainiert, ist schon wieder auf einem sehr guten Weg, die Essstörung zu therapieren. Klar ist auf jeden Fall: Wer denkt, er kann nur dünn werden, wenn er weniger isst, der denkt komplett falsch.
Was raten Sie beim Thema Ernährung?
Ernährung hat eine wahnsinnig hohe Priorität. Gerade beim Sport ist sie Ergänzung und Ausgleich. Wenn ich mich also nur von Fastfood ernähre, werde ich auch keine entsprechende Leistung bringen können. Wenn ich aber qualitativ hochwertiges Essen zu mir nehme, das nicht industriell verarbeitet wurde, kann ich auch hohe Leistungen erbringen.
Wie oft sollten Jugendliche trainieren?
Im Kindesbereich wird empfohlen, zweimal die Woche zu trainieren, im Jugendalter dreimal. Die entsprechenden Parameter, also Wiederholungen oder die Serienanzahl, richten sich nach Alter, Vorerfahrung und natürlich den Zielen. Es sollte langsam und unter Anleitung gestartet werden. Verhältnismäßigkeit ist das Stichwort. Man sollte nicht anfangen, 100 Liegestützen zu machen oder mit schweren Gewichten zu arbeiten. Die Erwartungshaltung, die auch Jugendliche oft an sich selbst haben, ist in den meisten Fällen zu groß. Das führt schnell zu Verletzungen. Viele hören dann frustriert wieder auf.
Wie kann verhindert werden, dass junge Menschen in ein ungesundes Trainingsverhalten fallen?
Mein dringender Rat lautet: Jeder Jugendliche, der ohne Vorerfahrung ins Fitnessstudio geht oder selbst aktiv werden möchte, braucht einen Fitnessführerschein.
In welcher Rolle sehen Sie dabei die Eltern?
In erster Linie als Vorbilder, was eine gesunde Lebensweise, aber auch ein gesundes Sporttreiben angeht. Sie sind Mentoren, die die Kinder an Trainer und Übungsleiter, gerne auch in Sportvereinen, weiterleiten.
Und wenn das Kind dem Trainingswahn verfällt?
Dann müssen die Eltern mit dem Fitnessstudio reden. Bestenfalls hat das Kind einen Trainer, mit dem es sich identifiziert und der auf das Kind einwirken kann. Wenn nötig, können Eltern auch einen Arzt oder Therapeuten zurate ziehen.